oberhalb der tannen

wir sind nicht verantwortlich
im grunde sind wir weit weg.
wir kommen
aus den dunstgrauen tannen heraus
von weit hinten
oder tief unten
von zuhöchst oben:
wir haben keine schuld.

im grunde höchstens eine ahnung:
dass es so schlimm nicht sein kann
wenn es da und dort noch gärt.
das trockene fleisch lebt ja noch und
herzlos als staubkorn
wird es schon nicht enden
beweist ja auch der tag
der jedesmal wieder wird.

wir hätten schon auf A B gesagt
wurden aber leider gehindert
von zum beispiel abfahrplänen.
wir haben uns dann auch nur verhalten
unter das gesamtwerk geduckt
und hingewiesen darauf,
dass wir wenigstens nicht gespielt haben.

wir spielen nicht.
wir wissen um den ernst der lage
wenn einer ausreißt, allein im wald streunt
und von oberhalb der tannen ahnt.
einst kratzte er unten noch träume in die rinde
die auch in seiner sprache keiner verstand.

wir wissen auch ohne sprache,
wovon die rede ist, wir wissen es sogar als baum.
wir könnten auch träume buchstabieren, wenn wir wollten,
wir wollen aber nicht, denn wir ahnen schon,
dass es beim kleinen finger nicht bleibt:
wir brauchen die rinde nicht zu essen
um den traum zu kennen.

unsere tannen sind eine armee
aber der kampf beginnt nicht.
weil wir uns erholen müssen
zum beispiel von den
ewigen innenräumen.
wir müssen nicht begründen
warum wir in die sessel fallen
ist längst allgemeinwissen.

so müde sind wir
wenn wir abends als bürokühle maschinen
auf warme holzstaffel weinen.
nur manche hören leise
oberhalb der tannen wie
sinnentleerte spamzeilen,
lieber gedicht wären.
das hochfrequente wissen
übersetzter träume.

Birgit Birnbacher, September 2020